Waldenserort Palmbach, Stadt Karlsruhe

 

Die Waldenserkirche in Palmbach – Geschichte einer besonderen Dorfkirche

Waldenserkirche Palmbach 1906 bis 2025

Die Waldenserkirche im Karlsruher Stadtteil Palmbach ist weit mehr als ein Gotteshaus: Sie ist das sichtbare Zeugnis einer außergewöhnlichen Ortsgeschichte. Ihre Entstehung und Entwicklung spiegelt die Geschichte der Waldenser wider, die aus Glaubensgründen aus ihrer Heimat in den piemontesischen Alpen flohen und hier in Baden ein neues Zuhause fanden. Besonders seit 1906 zeigt sich, wie stark sich das Gemeindeleben um diese Kirche entfaltet hat und wie sie trotz Kriegszerstörungen immer wieder zu einem Ort des Zusammenhalts geworden ist.

Die Zeit des Aufbruchs: Neubau zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Schon Ende des 19. Jahrhunderts war die alte Fachwerkkirche aus dem Jahr 1725 baufällig geworden. Pfarrer Gotthilf Wilhelm Camerer gründete deshalb 1883 einen Kirchenbaufonds, dem 1895 unter Pfarrer Friedrich Schweickert ein Orgelbaufonds folgte. Unter Pfarrer Gustav Meerwein gelang es schließlich, bis 1905 rund 20.000 Mark für den geplanten Kirchenneubau anzusparen.

Damals hatte Palmbach nur etwa 391 Einwohner, doch der Wunsch nach einer schönen, größeren Kirche war groß. Im November 1905 fertigte Baurat Rudolf Burckhardt die Pläne für ein neugotisches Gotteshaus an. Bereits am 15. Januar 1906 wurde das Projekt öffentlich ausgeschrieben, am 2. Februar die Baugenehmigung erteilt. Noch im April 1906 begann der Abriss der alten Kirche. Während der Bauzeit fanden die Gottesdienste vorübergehend im Bürgersaal des Rathauses statt.

Am 22. April 1906 legte man feierlich den Grundstein, und schon am 28. Oktober konnte die neue Kirche eingeweiht werden. Der Bau ist ein neugotischer Saalbau aus rotem, einheimischem Sandstein, ausgestattet mit einem imposanten, 37 Meter hohen Turm, der weithin das Ortsbild prägt.

Über dem Hauptportal prangt das Waldenserwappen mit dem Wahlspruch „Lux lucet in tenebris“ – „Das Licht leuchtet in der Finsternis“ –, der sinnbildlich für die Geschichte dieser Glaubensflüchtlinge steht. Im Innern der Kirche wurden zwei wertvolle Holztafeln von 1725 aufgehängt. Sie stammen noch aus der alten Kirche und zeigen die Zehn Gebote in französischer Sprache – ein Hinweis auf die ursprüngliche Muttersprache der Gemeinde. Auf der zweiten Tafel ist die Weihe und die Bauzeit der ersten Kirche im Jahre 1725 beschrieben. Die Tafeln haben eine Größe von 1,96  × 1,40 Meter.

Aufbau des Gemeindelebens und weitere Entwicklungen

1914 wurde unter Pfarrer Max Walter Haag direkt neben der Kirche ein neues Pfarrhaus gebaut. Schon 1926 erfolgte die nächste Renovierung: Die Kirche bekam eine elektrische Beleuchtung, was damals ein bedeutender Fortschritt war.

Palmbach war immer eine kleine, aber lebendige Gemeinde. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hielt man hier fest zusammen. Während Pfarrer Hermann Zwecker im Krieg als Divisionsgeistlicher diente und anschließend bis Ende 1949 in russischer Kriegsgefangenschaft war, wurde die Kirche durch einen Bombenangriff am 4. Dezember 1944 beschädigt. Der Chor und die Sakristei sowie ein Emporenfenster wurden dabei stark zerstört. Zwischen 1946 und 1948 leitete Vikar Walter Heidegger aus Grünwettersbach den Wiederaufbau. Dabei erhielt die Kirche auch erstmals eine Heizung. 1949 wurden neue Glasfenster eingebaut: Im Chor ist heute die Szene von Gethsemane zu sehen, an der Empore eine Darstellung der „Waldenser bei der glorreichen Rückkehr 1689“. In der Bildmitte ist der Waldenserpfarrer Henri Arnaud mit Schwert und Bibel dargestellt.

Am 1. Advent 1949 feierte die Gemeinde schließlich die Wiedereinweihung ihrer Kirche. Ein Jahr später, am 22. Oktober 1950, konnte man beim sogenannten Glockenfest drei neue Glocken weihen lassen, die wieder feierlich zum Gottesdienst riefen.

Von der Nachkriegszeit bis heute: Erhaltung und neue Akzente

Die nächsten Jahrzehnte waren geprägt von stetiger Pflege und Anpassung an die Bedürfnisse der Gemeinde. Unter Pfarrer Berthold Augenstein wurde 1974 der Betsaal zu einem vielseitigen Gemeinderaum umgebaut. 1978 bis 1981 modernisierte der Orgelbauer Georges Heintz die bestehende Steinmeyer-Orgel.

1988 erfolgte eine umfassende Sanierung der Kirchenfassade, bei der zudem Dach und Kirchturm instandgesetzt wurden.1989 bis 1990 errichtete man unter Pfarrer Jürgen Herrmann, mit viel Eigenarbeit, ein modernes Gemeindehaus, das Platz für Gruppen, Feste und Veranstaltungen bietet. Anfang der 2000er Jahre stand wieder eine große Innenrenovierung an: Neuer Boden, moderne Beleuchtung und eine stilgerechte Möblierung verliehen dem Kirchenraum neuen Glanz, ohne dabei sein historisches Erscheinungsbild zu verändern.

Ein besonderer Fund gelang 2003: Bei Arbeiten im Speicher des Pfarrhauses entdeckte man eine alte Waldenserbibel von 1738 in französischer Sprache. Sie gilt heute als wertvolles Kulturgut und wird zu besonderen Anlässen gezeigt.

Die Waldenserkirche als Ort der Erinnerung und Begegnung

Heute ist die Waldenserkirche nicht nur ein Ort für Gottesdienste, sondern auch ein Zentrum für Konzerte, Ausstellungen und Führungen. Es finden regelmäßig Konzerte statt. Die Kirche überzeugt durch ihre Akustik – regelmäßig finden Konzerte von klassischer Gitarre über Gospel bis Orgelmusik statt. Im Dorf erinnert zudem der „Waldenserweg“ – ein Themenpfad mit Infotafeln – an die Geschichte der Glaubensflüchtlinge. Seit 2024 organisiert der neu gegründete Waldenserverein Palmbach Vorträge, Führungen und Fotoausstellungen.

Damit bleibt die Waldenserkirche in Palmbach lebendig – ein Denkmal für den Glauben und den Mut der Vorfahren, ein kultureller Treffpunkt und ein Symbol für die Kraft der Gemeinschaft. Sie steht wie kaum ein anderes Gebäude dafür, dass „das Licht in der Finsternis leuchtet“ – ganz im Sinne ihres alten Wahlspruchs. Bis heute spüren Besucher hier nicht nur Geschichte, sondern auch den lebendigen Geist einer Gemeinde, die stolz auf ihre Wurzeln ist und zugleich offen für Neues bleibt.

Waldenserkirche Palmbach 1906 bis 2025

Zeitleiste – Waldenserkirche Palmbach

  • 1883
    Gründung eines Kirchenbaufonds durch Pfarrer Gotthilf Wilhelm Camerer zur Erneuerung der baufälligen Fachwerkkirche.
  • 1895
    Gründung Orgelbaufond durch Pfarrer Friedrich Schweickert.
  • bis 1905
    Unter Pfarrer Gustav Meerwein werden rund 20.000 Mark für den Kirchenneubau angespart.
  • 1905
    Palmbach hat 391 Einwohner.
    Im November: Entwurf der neuen Kirche durch Baurat Rudolf Burckhardt im neugotischen Stil.
  • Januar 1906
    Öffentliche Ausschreibung des Kirchenbaus in den Tageszeitungen
  • Februar 1906
    Die Baugenehmigung wird erteilt.
  • Anfang April 1906
    Baubeginn der neuen Kirche.
    • Abriss der alten Fachwerkkirche aus dem Jahre 1725.
    • Übergangslösung: Gottesdienste im Bürgersaal des Rathauses.
  • 22. April 1906
    Feierliche Grundsteinlegung der neuen Kirche.
    Anfang Mai war das Sockelmauerwerk und Mitte Juli der Rohbau fertig gestellt
    Da die alte Kirche nach der Grundsteinlegung abgebrochen worden war, fand der Gottesdienst bis Ende Oktober im Bürgersaal des 1902 erbauten Rathauses statt.
  • 28. Oktober 1906
    Einweihung der neuen Kirche durch Pfarrer Gustav Meerwein.
    • Bauweise: Neugotischer Saalbau aus rotem, einheimischem Sandstein mit 37 m hohem Turm.
    • Ausstattung: Holztafeln von 1725 (französisch), Waldenserwappen mit Wahlspruch „Lux lucet in tenebris“ über Hauptportal.
  • 1914
    Neubau des Pfarrhauses durch Pfarrer Max Walter Haag
  • Dezember 1932
    Glockenweihe einer neuen großen Friedensglocke, als Ersatz für die im Ersten Weltkrieg eingeschmolzene. (Pfarrer Diebold Schnebel)
  • Dezember 1944
    Bombenangriff beschädigt Chor und Sakristei stark sowie östlichen Emporenfenster. (Pfarrer Hermann Zwecker war als Divisions-Geistlicher im Krieg.)
  • 1946 - 1948
    Wiederaufbau und Umgestaltung der Chorwand sowie der Sakristei und Einbau einer Heizung unter Vikar Walter Heidegger.
  • 1949
    Neue Glasfenster „Gethsemane“ im Chor und „Waldenser bei der glorreichen Rückkehr 1689“ bei der Empore. Geschaffen von H. Wagner (Durlach).
  • Advent 1949
    Wiedereinweihung der Kirche nach Kriegszerstörung. Pfarrer Zwecker war von 09.04.1945 bis 31.12.1949 in russischer Kriegsgefangenschaft.
  • Oktober 1950
    Glockenfest, Weihe der drei neuen Glocken mit Pfarrer Hermann Zwecker.
  • 1974
    Kirchenrenovierung unter Pfarrer Berthold Augenstein. Der Betsaal wird zu einem Gemeinderaum ausgebaut.
  • 1978 - 1981
    Umbau der bestehenden Steinmeyer-Orgel durch Orgelbauer Georges Heintz. (Pfarrer Berthold Augenstein)
  • 1990
    Errichtung eines modernen Gemeindehauses mit Mehrzweckräumen für Gruppen und Veranstaltungen unter Pfarrer Hans Jürgen Herrmann.
  • 2001 - 2002
    Große Innenrenovierung: neuer Boden, Beleuchtung, Mobiliar – historisches Erscheinungsbild bleibt erhalten. (Pfarrerin Ruth Nakatenus)
  • 2003
    Bei Renovierungsarbeiten im Pfarrhaus wird im Speicher eine alte Waldenserbibel von 1738 in französischer Sprache entdeckt.

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