Das Waldenserfenster - Eine historische Besonderheit
Ein Kirchenfenster mit großem historischen Hintergrund
Das kunstvolle Fenster zeigt die „Glorreiche Rückkehr nach Sibaud im Jahre 1689“. Im Zentrum des Bildes steht der Waldenserpfarrer Henri Arnaud, der mit einer Bibel in der einen und einem erhobenen Schwert in der anderen Hand dargestellt ist. Er ist umringt von seinen Kämpfern, die gemeinsam mit ihm für ihren Glauben eingetreten sind.
Ein interessantes Detail: Unter dem Talar und dem Beffchen Arnauds ist ein Brustpanzer erkennbar, der seine doppelte Rolle als Geistlicher und Anführer unterstreicht. In den Gesichtern der Waldenser spiegeln sich zugleich Müdigkeit sowie Dankbarkeit und Freude wider – Erschöpfung nach den Strapazen des Marsches und Erleichterung über die geglückte Rückkehr.
Je nach Tageszeit und Wetter entfaltet das Licht ein eigenes Spiel auf dem Glas und lässt die Farben immer wieder anders erscheinen – morgens und abends besonders sanft und warm.
Sie sind herzlich eingeladen, bei ihrem nächsten Besuch in der Palmbacher Waldenserkirche das Fenster über der Seitenempore aus der Nähe zu betrachten und dafür gerne die Treppe hinaufzugehen.
Wer war Henri Arnaud?
📚 Biografische Eckdaten
- Geboren: 15. Juli 1643 in Emancipet (Perosa Argentina, Piemont, Italien)
- Gestorben: 8. September 1721 im Waldenserort Schönenberg (Württemberg)
- Waldenserpfarrer, Theologe, Prediger und Anführer im militärischen Kampf der Waldenser gegen Verfolgung und Vertreibung.
"Die Glorreiche Rückkehr“
Nach einem großen Verfolgungsfeldzug im Jahr 1686 mussten die Waldenser endgültig ihre Heimat verlassen. Tausende flüchteten in die Schweiz, besonders nach Genf und Lausanne, sowie nach Württemberg und andere reformierte Gebiete. Dort lebten sie oft unter schwierigen Bedingungen als Flüchtlinge.
Nach der Vertreibung organisierte Arnaud im Exil in Genf die Rückkehr in die Heimat. Im Sommer 1689 sammelte Henri Arnaud etwa 1.000 Waldenser, darunter Frauen und Kinder, in der Nähe von Nyon am Genfersee. Dort bereiteten sie sich heimlich auf den Marsch in ihre Heimat vor. Unter ihnen waren auch andere Waldenserpfarrer, die die religiöse Gemeinschaft stärkten und Gottesdienste hielten, sodass der Zug von Anfang an eine geistliche Dimension hatte. Am 17. August 1689 brachen sie auf. Ihr Ziel war es, über die Alpenpässe in die Waldensertäler zurückzukehren und dort wieder ihren Glauben frei zu leben.
Der abenteuerliche Marsch
Der Zug ging über mehr als 250 km durch teils feindliches Gebiet und schwer zugängliche Gebirgslandschaften. Immer wieder mussten sie sich gegen Verfolger verteidigen. Durch kluge Taktik, ausgezeichnete Kenntnis des Geländes und den starken Zusammenhalt überstanden sie Angriffe und Naturgewalten. Während des Marsches hielt Henri Arnaud regelmäßig Predigten, um den Mut und die geistliche Zuversicht der Gruppe zu stärken. Es war eine einzigartige Verbindung von Glaubenspilgerreise und militärischem Unternehmen.
Nach 14 Tagen erreichten sie am 28. August 1689 ihr Ziel: das Val Pellice.
Die Rückkehr und der Kampf um das Überleben
Kaum angekommen, mussten sie sich gegen Truppen des Herzogs von Savoyen und Frankreich verteidigen. Unter Arnauds Führung befestigten sie Dörfer und Berghänge und schlugen mehrere Angriffe zurück. Höhepunkt war die legendäre Verteidigung des Balsigliano, einer Felsenfestung nahe Rora, wo sie mit wenigen hundert Kämpfern Tausende französisch-savoyische Soldaten über Wochen hinweg standhielten.
Arnaud wirkte dabei sowohl als Kommandeur als auch als Seelsorger. Er predigte täglich, ermutigte die Soldaten und ordnete regelmäßige Gebete und Gottesdienste an.
Das historische Ereignis bei Sibaud (1689)
Am 1. September 1689, wenige Tage nach ihrer Rückkehr in die Waldensertäler, hielten die Waldenser unter der Leitung von Henri Arnaud auf der Anhöhe von Sibaud eine feierliche Bund- und Dankversammlung (Synode) ab.
📜 Das Gelübde von Sibaud (1689)
**„Wir versammeln uns heute vor dem Angesicht Gottes, um unseren Bund mit ihm zu erneuern.
Wir geloben ihm treu zu bleiben, seinen heiligen Worten zu folgen und das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu bekennen, selbst unter den größten Bedrängnissen.
Wir versprechen, unsere Gemeinschaft zu stärken, einander in Liebe und Brüderlichkeit beizustehen und im Glauben standhaft zu bleiben, bis in den Tod.
Und wenn es Gottes Wille ist, dass wir unser Blut für die Wahrheit vergießen, so tun wir es in der Hoffnung auf das ewige Leben durch unseren Erlöser Jesus Christus.“**
Noch heute befindet sich dort ein Denkmal
Es befindet sich auf einer Anhöhe in der Gemeinde Prarostino, oberhalb von San Secondo di Pinerolo (im Piemont, Italien). Genauer gesagt in der kleinen Ortschaft Sibaud (bzw. lokal „Colle di Sibaud“).
Bedeutung und Nachwirkung
Die „Glorreiche Rückkehr“ wurde zum Symbol für die Standhaftigkeit im Glauben und den Freiheitswillen der Waldenser. Sie wird bis heute in Waldensergemeinden in Italien, Deutschland und anderen Ländern am sogenannten „Tag der Glorreichen Rückkehr“ feierlich erinnert.
Henri Arnaud verfasste später ein Buch, in dem er die Ereignisse schilderte („Histoire de la glorieuse rentrée des Vaudois dans leurs Vallées“), das bis heute eine zentrale historische Quelle ist.